Die Garching Atomics waren kürzlich und doch eher unverhofft am Transfermarkt tätig. Vorstand Stefan Sauer spricht von einer „sehr kurzfristigen, guten Gelegenheit“. Wir möchten heute unseren Neuzugang, Christian Herrera, im Rahmen eines Interviews vorstellen und Einblicke in sein bisheriges Leben als Baseballspieler geben. Herrera kommt als Pitcher nach Garching und verstärkt das H1-Roster. Letzte Saison lief er für die Hamburg Stealers in der 1. Bundesliga Nord auf und drückte dem Spiel seinen Stempel auf. In drei Spielen verbuchte er zwei Siege und eine Niederlage bei einer ERA (Earned Run Average) von 1.17. Die Jahre zuvor verbrachte er in unabhängigen Ligen und im Rahmen der NCAA, der National Collegiate Athletic Association.

Atomics: Christian, herzlich Willkommen bei den Garching Atomics und herzlich Willkommen in Bayern. Was sind deine ersten Eindrücke von Garching?
Christian: Ich würde sagen, Garching ist der perfekte Ort für mich. Gerade als jemand, der aus einer 300.000 Einwohnerstadt in Südkalifornien kommt. Das kann einen überfordern, aber die Möglichkeit, ein ruhiges Leben in Garching zu führen, das nur 45 Minuten mit der U-Bahn vom Münchner Stadtzentrum entfernt ist, ist erstaunlich.

A: Kannst du kurz schildern, wie du von den Atomics angesprochen wurdest und wie du zu der Entscheidung, für die Atomics zu spielen, gelangt bist?
C: Das ist eine lustige Story. Ich stand eigentlich bei einem kanadischen Team, den Brantwood Red Sox in der Intercounty Baseball League, unter Vertrag. Zwei Tage vor meiner Reise nach Kanada schrieb mich Stefan Sauer an. Ich musste ihm aber leider sagen, dass ich mich bereits verpflichtet hatte. Aber um es gelinde auszudrücken, ich habe nicht performt und wurde wieder entlassen. Ich saß also daheim auf meiner Couch und dachte mir, ich schreibe Stefan nochmal an. Und so kam es, dass ich drei Tage später im Flieger nach München saß.

A: Wie blickst du auf die Zeit in Kanada zurück? Welche Schlüsse ziehst du aus deiner Zeit dort gerade im Hinblick auf die kommende Zeit in Garching?
C: Naja, es war eine sehr demütigende Erfahrung. Ich hatte zuvor ein paar sehr gute Saisons gespielt. Im Jahr 2021 habe ich sogar einen Titel gewonnen. Hinzu kommt meine Erfahrung aus der 1. Bundesliga in Hamburg. In Kanada gab es einige dekorierte Spieler und es fiel mir zeitweise schwer, die Outs zu erzielen. Scheitern gehört aber zum Sport dazu und man muss lernen, damit umzugehen. Das Schöne an diesem Spiel ist jedoch, dass es immer neue Chancen gibt – für mich jetzt hier in Garching.

A: Was waren deine ersten Eindrücke vom Atomics-Ballpark und von deinen neuen Mitspielern? Hast du schon viele Spieler außerhalb der H1 kennengelernt?
C: Ja, ich habe schon sehr viele H1- und H2-Spieler kennengelernt, aber auch einige Kinder aus der Schülermannschaft, mit denen ich am Pitching arbeite. Das Feld war überraschend schön im Vergleich zur 2. Bundesliga in Norddeutschland letztes Jahr. Ich musste Spiele zusätzlich zur 1. Bundesliga absolvieren, um mich für die Playoffs zu qualifizieren. Einige Plätze dort waren nicht sehr schön.

A: Viel Geld geht hier leider in schöne Fußballplätze so wie in die American Football- und Baseballfelder in den USA.
C: Ich habe Baseball noch nie auf einem umfunktionierten Fußballplatz gespielt. Die Erfahrung in Ellwangen war also sehr interessant für mich.

A: Du hast Garching schon mit deiner Heimat in Südkalifornien verglichen. Wie würdest du Garching aber mit Hamburg, deiner letzten Station in Deutschland, vergleichen?
C: Das Leben hier ist viel langsamer, ruhiger und ich kann ausschlafen. In Hamburg habe ich an einer Hauptstraße über einem Fahrradladen gewohnt. Da war immer viel los. Als ich hier nach Garching kam, lernte ich die Ruhe sehr zu schätzen.

A: Hast du schon typisch bayrisch gegessen?
C: Ja! Als ich wusste, ich komme nach Deutschland, wusste ich schon, dass ich mich auf das bayrische Essen freue. In Hamburg habe ich mich aber auch Döner kennengelernt. Davon habe ich auch nicht wenig gegessen.

A: Insgesamt kann man festhalten, dass du in Garching angekommen bist und dich gut eingelebt hast?
C: Ja, es hat auch etwas Ruhe in mein Leben gebracht. Gerade nach der chaotischen Zeit in Kanada, in der ich leider die nicht so schöne Seite von Baseball erfahren habe. Ich habe hier auch den Eindruck, dass ich eine echte Chance bekomme im Vergleich zu dem kanadischen Team. Dort hatte ich nicht einmal Zugang zum Feld, um zu an spielfreien Tagen zu trainieren.

A: Kannst du deine vorherige Erfahrung als Spieler in den USA kurz schildern?
C: In meinem ersten Jahr als professioneller Spieler habe ich mich doch etwas übernommen. Ich war ein 26-jähriger Rookie, der noch viel an sich zu arbeiten hatte. Ich musste gegen Leute ankämpfen, die schon mal im Draft waren oder früher in D1-Colleges gespielt haben. Ich war mental noch nicht auf dem Level, das von mir gefordert wurde. Dann stand auch mal einem ehemaligen Gold Glove Winner vor mir und das war ziemlich surreal. Ich habe aber viel aus dieser Erfahrung gelernt.

A: Wie bist du überhaupt zum professionellen Baseball gekommen? Was hast du davor gemacht?
C: Als ich 2011 von der High School kam, dachte ich, meine Baseballkarriere sei vorbei. Ich bin dann aufs College gegangen und habe gemerkt, dass mir das Lernen überhaupt keinen Spaß macht. Selbst meine Mutter sagte mir, ich solle wieder den Ball in die Hand nehmen. Ich habe dann in meinem College-Team als Pitcher wieder angefangen und der Rest ist Geschichte.

A: Wie kam es zu der Entscheidung, dich international als Spieler anzubieten nach all den Jahren in den USA?
C: Ich habe in einer unbezahlten Liga gespielt und ich sah, dass es auch professionelle Ligen in Europa gibt. Es ergab sich aber erst im Juni letzten Jahres eine Gelegenheit. Ich spielte in einer Liga für ablösefreie Spiele in Los Angeles und einer meiner Ansprechpartner sagte mir, dass ein deutsches Team einen Pitcher braucht. Da war ich sofort dabei.

A: Was sind die Unterschiede zwischen Baseball in Deutschland und den USA?
C: Wenn du in der 1. Bundesliga spielst, wird wenig differenziert. Wenn du Profi bist, bist du eben ein Profi. Du kannst nicht aus den USA kommen und meinen, dass du alles dominieren wirst. Das Gegenteil ist der Fall. Ein großer Unterschied ist aber, dass die Spieler hier weniger auf Krawall gebürstet sind und man weniger „benches clearing“ sieht.

A: Lass uns noch auf ein paar persönliche Fragen eingehen. Wie gut ist dein Deutsch nach deinem Sommer in Hamburg letztes Jahr?
C: Mir wurde gesagt, dass mein Deutsch für einen Anfänger, der nie Unterricht hatte, recht passabel sei. Ich kann jemanden begrüßen, Essen bestellen, zählen und die Wochentage kenne ich auch. Dass ich Spanisch spreche, hilft mir auch ein wenig.

A: Was waren Erkenntnisse aus deiner Zeit bei den Hamburg Stealers, die sich auf deine Zeit bei den Atomics auswirken?
C: Immer mit offenen Armen und einem offenen Herzen durch den Tag zu gehen. Ich möchte selbstlos sein und meinem Team so gut wie möglich helfen.

A: Was ist dein Rat für jüngere Baseballspieler in unserem Verein? Sei es für die, die schon im Herrenbereich, oder noch in den Schüler- bzw. Jugendmannschaften spielen.
C: Liebe das, was du tust. Vertraue dem Weg, der vor dir liegt, und lasse dich nie von einem schlechten Training oder Spiel unterkriegen.

A: Die letzte Frage wäre, ob du dir vorstellen kannst, Baseball in anderen europäischen Ländern oder anderswo auf der Welt zu spielen?
C: Auf jeden Fall! Mein Hauptziel, seitdem ich professionell spiele, ist es, in Mexiko zu spielen, da ich zum Teil von dort stamme. Ich würde aber auch gerne in den Niederlanden oder Italien spielen.

A: Hast du noch etwas, was du dem Interview hinzufügen möchtest?
C: Für alle, die das hier lesen, hoffe ich, dass es inspirierend war. Wenn ihr mit Baseball beginnen wollt, macht es unbedingt. Und wer Hilfe braucht, findet mich diesen Sommer im Atomics-Ballpark.